Canalone Huda Paliza- Westliche Julische Alpen
Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich vorausschicken, dass es mir hier in keiner Weise um Profilierung und Selbstdarstellung geht. Ich möchte lediglich ein paar Gedanken zum Skitourengehen, zur Tourenplanung und Sicherheit am Berg loswerden.
Ausgangslage: Ich war gestern mit einem Bergführerkollegen und einem weiteren Freund am Weg. Unser Ziel die Canalone Huda Paliza in den Westlichen Julischen Alpen. Die Tour ist gekennzeichnet durch die 800 Höhenmeter lange und bis zu 50 Grad steile Rinne. Bis vor wenigen Jahren war sie noch ein Geheimtipp, durch Veröffentlichungen von Führerliteratur und Internetseiten erfährt diese Tour immer größere Popularität.
Der friulanische Lawinenlagebericht gab für diesen Tag einen 3er, sprich „erheblich“ aus.
„Zustand der Schneedecke und Lawinengefahr für SAMSTAG 23/02/2013
Auf den Höhen sind durchschnittl. 20-30 cm Neuschnee gefallen, höhere Menge um Tarvis, geringere hingegen in Mittelkarnien. Der Neuschnee ist sehr weich. Der Wind formt auf den Höhen die Schneedecke und bildet neue Anhäufungen. Der Neuschnee hat sich auf dem Reif an der Oberfl. abgelagert. Es sind spontane Lawinen vorhanden, i.A. kleinerer Dimensionen, die von den Wände entlang der Rinnen in allen Ausrichtungen oberh. der Baumgrenze abgegangen sind. Immer ioberhl. der Baumgrenze sei auf die Möglichkeit verursachter Abgänge hingewiesen, und dies in den Anhäufungsbereichen mit Dichten oberh. der 30 cm schon mit schwacher Belastung.Aktuelle Gefahrstufe: 3 (erheblich) auf dem gesamten Berggebiet.“
www.regione.fvg.it/asp/meteo_valanghe/bollettino/bollettino_deuc.pdf
Wir starteten, für so eine Tour relativ spät, gegen 08:45 nahe dem Truppenübungsplatz. Es verwunderte mich, dass wir die Ersten waren. Durch die Schneefälle der letzten beiden Tage (gute 35 cm und über Nacht nochmals 15 cm) mussten wir ab dem Einstieg der Rinne spuren, bis dahin waren teils Spuren vorhanden.
Knapp unterhalb der Rinne, im kleinen Tal mit den Eisfällen, wurden wir von ca. 14 (!) Personen eingeholt, die unseren Spuren gefolgt waren. 2 Personen bildeten ein Team, die restlichen 12 waren als 2 Gruppen à 6 Personen unterwegs - sie gehörten aber meines Wissens nach zusammen.
Nachdem wir das kleine Tal mittels Stapfens überwunden hatten, stiegen wir höher auf zur Rinne. 2 nachfolgende Skitourengeher wechselten aufgrund der Masse an Leuten das Tourenziel und stiegen weiter zur Bärenlahnscharte auf. Im Mittelteil der Rinne blickte ich zurück, und sage und schreibe 22 Personen (!!!) sowie 2 Hunde waren nun in der Rinne! Nachdem ich mit meinem Kollegen bis nach dem ersten Drittel der Rinne gespurt hatte, wechselten wir mit nachkommenden Personen. Etwa 5 oder 6 Leute spurten für mehrere Kehren, das oberste Drittel bis zum Ausstieg stapften und spurten wieder mein Freund und ich.
Nachfolgend möchte ich nun einige Punkte festhalten, die mich sehr beunruhigen:
- 22 Personen bei Lawinenwarnstufe 3 in einer Rinne! Im obersten Drittel, bis zu 50 Grad steil lagen 80 bis 100 cm frischer Triebschnee. Die Südseite des Montasch war abgeblasen - wo liegt wohl der verblasene Schnee?
Zum besseren Verständnis, was „3“ überhaupt bedeutet: Die Schneedecke ist an vielen Steilhängen* nur mäßig bis schwach verfestigt. Lawinenauslösung ist bereits bei geringer Zusatzbelastung** vor allem an den angegebenen Steilhängen* möglich. Fallweise sind spontan einige mittlere, vereinzelt aber auch große Lawinen möglich.
http://www.avalanches.org/basics/lawinengefahrenskala/
- Machen Leute Tourenplanung? Wenn ich sehe, dass vor mir schon so viele Leute in der Rinne sind - warum wähle ich kein Alternativziel? Wie kann man bei LWS 3 eine Route für 12 Personen wählen? Welcher Verein organisiert so eine Veranstaltung?
- Einige dieser Personen hätten, ohne jemanden beleidigen zu wollen, konditionell und technisch keine realistische Chance gehabt, das Ziel zu erreichen. Viele waren nach wenigen Kehren beim Spuren erschöpft und bei einigen genügte die Kraft gerade noch zum Abfahren. Es gibt in der näheren Umgebung zahlreiche kürzere und einfachere Touren und Rinnen, die gemacht werden können.
- Auf die Frage, warum sie denn die Tour gewählt hätten, antworteten einige: „Weil so eine schöne Spur angelegt war.“ Sind der Großteil der Skitourengeher Lemminge, die über keine Entscheidungskompetenz oder zu wenig alpinistisches Wissen verfügen? In der etwa gleich schweren Route, der Mosesrinne, war niemand. In der Tour zur Bärenlahnscharte ein paar w wenige Personen.
Ich bin froh, dass gestern alles gut ausgegangen ist. Gleichzeitig bin ich jedoch noch immer bestürzt über die Fakten und zugleich beunruhigt, dass in Zukunft solche Konstellationen nicht so glimpflich enden könnten. Wäre gestern im obersten Teil ein Schneebrett abgegangen, hätten wir es wahrscheinlich europaweit in die Nachrichten geschafft. Ich kann nur jedem raten, sich mit der Thematik des Skitourengehens besser zu befassen - zwei Beine und ein Paar Ski sind definitiv zu wenig.
Hannes Haberl